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feronien
der Meister


Der Ruf des Zauberers war schon weit bekannt. Seit vielen Jahrzehnten lebte er und seine Schüler in einer kleinen Burg außerhalb der Ländergrenzen. Die Bewohner der Dörfer, die in der Umgebung waren, fürchteten ihn – er nahm sich, was er brauchte und niemand konnte ihn aufhalten.
Manchmal versuchten die Bewohner, ihre Fürsten und Könige um Hilfe zu bitten. Doch wenn diese versuchten, ihn zu bekämpfen, fielen ihre Truppen. Und die Dörfer waren zu unbedeutend, um mehrere Soldaten zu verlieren. Als die Dorfbewohner die Gargoyles und Zauberer um Hilfe baten, mussten diese erkennen, dass die Macht des feindlichen Zaubermeisters zu stark war. Und so lebte er mit seinen Schülern ruhig und unbehelligt.

*****

Eines Tages näherte sich ein junger Mann der Burg. Die Schüler, die als Wache bereitstanden, hielten ihn vor dem Tor auf: „Was willst du?“
„Ich will lernen – ich will können, was ihr könnt.“ sprach er.
„Und wer bist du?“ fragte ihn der Ältere der beiden Schüler.
„Ich bin Adarin, der Sohn des Müllers.“ antwortete der junge Mann.
„Na dann – letzten Monat sind einige Schüler gestorben. Vielleicht kannst du ihren Platz einnehmen.“ entgegnete die Wache und rief: „Rebetta!“
Ein Mädchen, nicht älter als Adarin, kam aus dem Tor. Sie war wunderschön mit langem, blonden Haar, doch ihr Gesicht strahlte Bitterkeit und Hass aus.
„Was willst du, Mervin?“
„Bring diesen Kerl zum Meister – er möchte ein Schüler werden.“
„Nun dann,“ sprach sie zu Adarin, „folge mir.“

*****

Adarin wurde von Rebetta in eine dunkle Kammer geführt. Sie brachte ihn in die Mitte des Raumes und zog sich dann an die Wand zurück. Dort stand er nun in der Mitte des Raumes und eine Tür öffnete sich. Ein Mann, in Schwarz gehüllt, trat herein. Seine Grabesstimme hallte durch den Raum: „Knie nieder!“
„Nein – ich knie nicht.“ widersprach Adarin.
„Stolz? Nun, so lerne gleich jetzt das Erste.“ Die schwarze Gestalt bewegte nur seine Hand und Adarins Knie versagten den Dienst. Er fiel zu Boden.
Langsam kam die Gestalt auf ihn zu und schnitt mit einem Dolch seine rechte Handfläche auf. Dabei sprach er: „Mein ist das Wort und das Wort ist das Wissen. Das Wissen ist Macht und Macht ist entrissenes Recht. Denn ich bin dein Meister. Ja, ich bin dein Meister und du bist nichts -“ Er unterbrach sich und ließ das Blut in Adarins Gesicht tropfen. „nichts als mein Knecht!“

*****

Als neuester Schüler musste Adarin die dreckigsten und widerlichsten Aufgaben erledigen. Als er die Ställe ausmistete, erschien Rebetta in der Tür. „Brauchst du Hilfe?“
„Du bietest mir Hilfe an? Das ist ungewöhnlich.“ erwiderte Adarin, während er den Schweiß von seiner Stirn wischte.
„Nicht so ungewöhnlich, wie du denkst. Ich bin ein Mädchen – schon bald wird der Meister dich über mich erheben. Und dann will ich alte Gefallen einfordern können.“ antwortete Rebetta ruhig.
„Was meinst du mit 'über dich erheben'?“ fragte Adarin nach.
„Wie gesagt – ich bin nur ein Mädchen. Der Meister zieht jeden Jungen mir vor. Ich werde nie weiterkommen.“
„Und warum bleibst du dann hier? Warum verschwindest du nicht?“
Rebettas Lachen klang kalt und verletzt. „Wohin denn? Meine Eltern habe ich nie kennengelernt. Ich kam schon als kleines Kind hier her. Und nicht mal die Kleidung, die ich trage, gehört mir. Du weißt doch – wir sind nichts als seine Knechte. Und ich werde immer der niedrigste von allen sein.“

*****

In den folgenden Wochen lernte Adarin mehr und mehr, auch wenn seine Leistungen hinter dem zurückblieben, was der Meister erwartete. Es schien so, als wäre er der schlechteste Schüler, der je beim Meister war. Die anderen Schüler hänselten und verachteten ihn immer mehr. Besonders Mervin, der als bester Schüler galt, nutzte seine Vormachtstellung aus um ihn zu demütigen.
Eines Tages kam eine große Lieferung Schriften für den Meister. Die Schüler überlegten, was diese wohl enthalten könnten. Mervin meinte, der Meister suche nach einem Weg zur Unsterblichkeit.
Als Adarin das hörte, lief er zum Privatraum des Meisters.

*****

Adarin betrat den alten Raum und sah er den Meister, wie er über den verschiedenen Schriften brütete. Er hatte sie im ganzen Raum verteilt und schien sehr vertieft in die Bücher zu sein. Dennoch hatte er Adarin bemerkt.
„Verschwinde!“ sprach der Meister, ohne auch nur von den Schriften aufzusehen, „Ich suche den Weg zur Unsterblichkeit – einen Weg, denn du nie beschreiten wirst.“
In dem Moment fingen die Bücher zu brennen an und Adarin begann zu sprechen. Doch dieses Mal hatte seine Stimme das Gewicht von Jahrhunderten und die Autorität eines Königs: „Das Geheimnis der Unsterblichkeit ist verloren. Doch das Wissen um ein langes Leben ist noch bekannt. Es war vor drei Jahrhunderten: Damals gab mir mein Meister dieses Wissen. Seitdem bin ich keinen Tag mehr gealtert. Der Zauber wird nicht mehr lange halten – aber dich werde ich noch vorher vernichten! Du hast die Magie missbraucht und die Menschen misshandelt. Deine Zeit ist vorbei!“
Der Meister betrachtete seinen ehemaligen Schüler und fing an zu lachen: „Du bist doch nicht der erste. Schon ein Dutzend der deinen habe ich getötet. Und du wirst ihnen nun folgen!“
Mit diesen Worten schleuderte er das Feuer der Bücher auf Adarin. Dieser blockte es ab und ließ es zu Boden fallen. Doch gleichzeitig erhitzte er die Luft um den Meister, so dass dessen Atmung schwerer und schwerer wurde.
„Du hast schon viele getötet – doch ich bin ein Meister unserer Zunft.“
„Und ich,“ röchelte der Meister, „ich bin dein Meister.“
Adarin stockte. Sein Körper wurde schwerer und schwerer, während der schwarze Meister sich langsam und siegessicher erhob. „Hast du es nicht bemerkt? Als mein Blut dich berührte, entstand eine Bindung – eine Bindung, die ich mit jedem Schüler habe. Ich kann all ihre Kraft zu mir rufen. Sie sind nur Marionetten – genau wie du.“
Adarin spürte, wie seine Kraft immer mehr schwand. Alle Kraft hatte ihn bald verlassen und er brach auf dem Boden zusammen.
Langsam kam der Meister durch den Qualm auf ihn zu. „Du bist ein Narr. Seit fünfzig Jahren herrsche ich hier. Niemand kann mir widerstehen. Nun sag mir, wie du so lange leben konntest – und ich verschone dein Leben.“
Adarin war beinahe schwarz vor Augen, doch er sah noch eine letzte Chance. Die Bücher glommen noch. Schnell und mit letzter Kraft erschuf er eine Flamme und schleuderte sie dem Meister in die Augen. Dieser schrie und sein magischer Griff brach kurzzeitig zusammen. Mehr Zeit brauchte Adarin nicht. Er sprang auf ihn zu, entriss ihm seinen Dolch und rammte ihn diesen ins Herz. Erschöpft brach er über dem toten Körper zusammen.

*****

Nach vielen Stunden kam Adarin wieder zu sich. Er spürte die Last seiner Jahre und konnte sich nur langsam erheben. Er befürchtete den Angriff eines Schülers – er war zu schwach, um einen Kampf zu gewinnen!
Doch als er den Raum verließ und durch die kleine Burg streifte, erkannte er, dass seine Sorge vergeblich war. Alle Schüler waren tot – sie waren unter Schmerzen zusammengebrochen. Scheinbar hatte der Meister ihnen die Lebensenergie entzogen, um den Kampf zu gewinnen. Auch Rebetta fand er – sie lag tot in ihrem Zimmer. Neben ihr lag ein Bündel mit Kleidung, das hastig zusammengeschnürt war.

Adarin ging in die Vorratskammern und holte Öl heraus. Er verschüttete es überall. Dann verließ er die Burg und zündete das Öl an. Er wartete, bis die Burg vollkommen zerstört war.

Anschließend ging er zurück zu den anderen Zauberern um ihnen zu berichten, dass er seine Mission erfolgreich vollendet hatte.


ENDE


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