Zurück zur Auswahl



„nur ein Märchen“


„Erzähl' mir eine Geschichte, Papa!“
Die Kleine lag in ihrem weißen Bettchen und sah ihren Vater flehend an, der schon an der Tür stand. Ihr Vater lächelte, drehte sich um und setzte sich auf die Bettkante: „Welche willst du denn hören?“
„Eine von den bösen Riesen?“
„Meine Liebe - wie willst du dann schlafen?“
„Och bitte“ sagte sie mit dem ganzen Charme, den nur ein kleines Mädchen haben kann.
„Überredet,“ lachte der Vater und begann:
„Vor vielen, vielen Jahren gab es ein wunderschönes Mädchen. Sie wurde von allen geliebt und viele Männer wollten um ihre Hand anhalten. Doch es kam alles - als sie eines Tages über die Wiesen spazierte, nahm sie ein Riese gefangen. Es war ein großer und widderlicher Kerl und er griff sie sich einfach. Er nahm sie mit nach Hause und sperrte sie in einen Käfig.“
„Und dann?“
„Dann versuchten viele Männer, sie zu befreien - doch vergeblich. Einige fielen den hinterhältigen Fallen zu Opfer, die der Riese aufgestellt hatte. Andere starben durch den grausamen Wächter des Riesen - ein scheußliches Monster mit schwarzem Fell und einem riesigen Schwanz, dass die Männer erst quälte und dann tötete.“
Seine Tochter verkroch sich unter der Decke und schauderte, während sich ihr Vater über den Schnurrbart strich.
„Der Vater des Mädchen war völlig verzweifelt - niemand wollte sich mehr auf die Suche nach seiner Tochter begeben.“
„Aber“ wollte die Kleine ihn unterbrechen, aber ihr Vater ignorierte ihren Einwand. „Und so ging einige Zeit ins Land - zwar sprachen man noch oft von dem wunderschönen Mädchen, aber nur noch heimlich und verstohlen. Niemand glaubte mehr daran, dass wir sie je wieder sehen würden. Bis eines Tages...“
„Ja?“ fragte die Tochter hoffnungsvoll.
„Bis eines Tages ein alter und weiser Mann in diese Gegend kam. Er wollte es nochmal versuchen. Alle meinten zu ihm, dass sei Wahnsinn, aber er antwortete nur: 'Ich bin schon alt und habe mein Leben gelebt. Wenn ich es versuche und dabei sterbe - so habe ich doch nicht viel zu verlieren.'
Vor lauter Verzweiflung ließ ihr Vater sich darauf ein und verriet dem Alten, wo der Riese und seine Gefangene zu finden seien.
Als der alte Mann dies erfahren hatte, baute er eine kleine, geheimnisvolle Bombe. Mit dieser machte er sich auf den Weg.
Die Fallen konnte er umgehen - und als der Wächter seine Witterung aufnahm, schleuderte er die Bombe auf ihn. Der Wächter wurde durch die geheimnisvolle, weiße Flüßigkeit, die in der Bombe war, abgelenkt.
So schaffte er es, zum Käfig durchzudringen. Schnell öffnete er die Tür und das Mädchen konnte endlich entfliehen. Zusammen machten sie sich auf den Weg - doch da stand der Riese vor ihnen.
Blitzschnell versuchte er, mit seinen Händen die beiden zu greifen. Doch der alte schob das Mädchen schnell hinter sich, so dass nur er geschnappt wurde. Gefangen in der Hand blieb ihm nur eine Möglichkeit: Voller Kraft biß er in einen Finger!
Der Riese schrie auf - und schleuderte den Alten auf den Boden. Danach rannte er weg.
Das Mädchen rannte zu dem Mann, der sterbend auf dem Boden lag. Sie weinte um ihren Retter - doch dieser sah sie an und meinte: 'Ein alter Mann stirbt - ein junges Mädchen lebt: Fairer Tausch! Findest du nicht?'
Wider Willen musste das Mädchen lächeln. Und als der alte Mann starb, küßte sie ihn auf die Stirn.
Dann rannte sie nach Hause und erzählte allen von der Heldentat.
Sie schrieb ein Lied über ihren Helden - und wurde eine berühmte Sängerin.
Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie heute noch.“
„Papa, gibt es solche Riesen wirklich?“
Er strich ihr über ihr Fell und antwortete: „Natürlich nicht, das war nur ein Märchen - und nun schlaf gut!“
Dann stand er auf, löschte das Licht, verließ das Zimmer und schloß die Tür - dabei achtete er darauf, seinen Schwanz nicht in der Tür einzuklemmen.

Er hatte seine Tochter belogen - natürlich gab es Menschen! Doch sie war noch zu jung, dies zu verstehen. Vielleicht war sein Verhalten falsch, doch er wollte ihr eine schöne und sorglose Kindheit bewahren.
Langsam ging er zu seiner Frau - sie hatte ihm ein Stück leckeren Käse zurückgelegt und darauf freute er sich.
An sich war er eine glückliche Maus - er hatte Frau und Kinder, die er liebte und mit denen er eine schöne Zeit verleben durfte. Und er hoffte, dass diese Zeit noch lang währen würde!


ENDE


Zurück zur Auswahl



Zwischen den Zeilen