Dies ist mein persönlicher Bericht
über die Zeit, die als „das schwarze Jahr“ bekannt
wurde. Ich habe versucht, so getreu und wahrheitsgemäß die
Ereignisse zu beschreiben, die unsere Welt in diesen grausamen Krieg
stürzte:
Schon länger gab es Unmut unter
den Gargoyles. Einige von uns waren der Meinung, es wäre
sinnlos, die Menschen vor Gefahren zu beschützen, wenn der
Mensch selbst die größte Gefahr für sich ist.
Andere meinten, dass wir, an Weisheit,
Kraft und Lebensdauer den Menschen überlegen, die Herrschaft
über die Welt an uns nehmen sollten.
Diese Ansicht vertrat auch ein
Gargoyle, der sich Luzius nennen ließ. In vielen flammenden
Reden schafft er es, viele der Gargoyles, ob alt oder jung, von
seiner Sicht zu überzeugen.
Aus allen Clans wechselten Anhänger
zu ihm und sie versammelten sich an einem Ort, um dort seinen Worten
zu lauschen und die ersten Schritte in ihre „neue Welt“
zu gehen.
Seine Anhängerschaft wurde so
groß, dass die Clanführer um die Sicherheit und Stabilität
der Bünde fürchteten.
So versammelten sich die die zwölf
Clanführer, um sich über die „Bedrohung Luzius“
klar zu werden und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Auch die Meister der Zauberer waren
anwesend, da Luzius auch in ihren Reihen sein Gift versprüht
hatte und einige mächtige Zauberer auf seine Seite gezogen
hatte. Luzius sah nämlich in den Zauberern die einzigen den
Gargoyles ebenbürtigen und des Herrschen würdigen Menschen.
Mehrere Nächte diskutieren die
Clanführer und Zauberer, wie nun mit Luzius und seinen Getreuen
umzugehen sei. Einige drängten auf Verhandlungen und Gesprächen,
andere meinten, Luzius werde sein Fehlverhalten schon erkennen und in
Kürze seinen Plan aufgeben.
Im Laufe der Gespräche hatten sich
Gargoyles aus allen Clans um den Ort der Verhandlungen gesammelt und
erwartetet voller Ungeduld das Ergebnis der Gespräche.
In der zehnten Nacht kam Luzius selbst.
Er hatte sich in einen Königsumhang gehüllt und kam mit
einer Leibgarde angeflogen. Sie landeten direkt vor der
Verhandlungshalle und Luzius begann zu sprechen. Er versprach den
Umstehenden ein Leben in Macht und Pracht, ein Leben in der uns
bestimmten Herrschaft.
Ich stand mit meinen Freunden in der
Menge. Es wäre gelogen, zu behaupten, seine Worte hätten
mich nicht berührt. Das Versprechen von unendlicher Macht ist
sehr verführerisch.
Plötzlich donnerte die Tür
zur Versammlungshalle auf. Wütend über Luzius'
Unverschämtheit kamen die Clanführer heraus und ihr
Sprecher rief: „Behalte dein Gift für dich! Beuge dich
unseren Regeln und Gesetzen – dann werden wir die Gnade
gewähren.“
Luzius drehte ihnen den Rücken zu
und rief zur Menge: „Folgt mir! Folgt mir zu unseren wahren
Macht!“
Kaum waren seine Worte verhalt, erhoben
sich Luzius und seine Leibgarde. Ein Teil der Menge folgte ihnen.
Da donnerte der der Clanführer los
und seine Stimme halte durch das Tal:
„VERFLUCHT IHR
SEID mit Haut und Haar,
schon eh vorbei dies schwarze Jahr.
Noch
eure Kinder werden leiden,
wenn eure Seelen ‘gen Hölle
treiben!“
Und so begann der Krieg.
Es war der schlimmste und grausamste
Krieg, der je die Erde überzog. Es kämpfte Zauberer gegen
Zauberer, Gargoyle gegen Gargoyle, Bruder gegen Bruder. Auch einige
Menschen, die man zu Recht Helden nennen kann, wagten es und kämpften
mit an unserer Seite.
Der Krieg dauerte einige Monate.
Jede Nacht erwachten wir auf dem Schlachtfeld, oft sogar noch Auge in
Auge mit unserem Feind und die Schlacht ging weiter. Langsam drängten
wir sie zurück – Meter für Meter an ihren geheimen
Schlupfwinkel.
Am Tag liefen die Zauberer und anderen
Menschen umher und versorgten uns, die wir versteinert waren, mit
neuen Waffen oder legten unsere Feinde in Ketten. Sie wagten es
nicht, die Gargoyles zu erschlagen, weil sie oft nicht sicher
erkennen konnten, ob einer Freund oder Feind war.
Nur schwer kamen wir voran, bis wir in einer Nacht
dann endlich den Berg ihres Heimat sahen.
Er war zwar noch etwas entfernt, aber wir hätten
die Strecke fliegend in Kürze überwältigen können.
Und das geschah auch –
kurz bevor der Morgen graute, verschwanden sie alle und flogen gen
Berg. Einige versuchten, nach zusetzen, aber ich und ein Großteil
der Menge waren zu verwirrt und blieben, wo wir waren.
Die nächste Nacht
begann mit einem Lichtblitz. Der ganze Berg war in gleißendes
Licht gehüllt und ein Donner schleuderte uns zu Boden. Als wir
uns wieder aufrafften, kamen sie wieder.
Aber sie wirkten verändert.
Ihre Haut totenweiß und ihre Klauen waren Händen gewichen.
Voller Wut und Zorn stürzten sie auf uns.
Sie waren stärker als
noch gestern und sie konnten uns problemlos zurückdrängen.
Die Menschen und Gargoyles, die ihnen in die Hände fielen,
wurden nicht getötet – nein, sie bissen sie und
tranken
ihr Blut. Sie schienen es wie regelrecht zu genießen, ihre
Feinde auszusaugen.
Immer weiter fielen wir
zurück und es wirkte, als wäre dies unsere letzte Schlacht.
Da rettete uns die Dämmerung. Kurz vor der Dämmerung
nämlich ließen sie von uns ab und flogen zurück –
doch einen konnte ich festhalten. Er versuchte, sich freizukämpfen,
doch mit der Kraft der Verzweiflung schaffte ich es, ihn zu halten.
Als die Sonne aufging, hörte ich einen grauenvollen Schrei.
Am nächsten Tag fand
ich nur noch seine Asche...
Seit jener Nacht sind weit
über hundert Jahre vergangen und ich bin alt geworden.
Mittlerweile wissen wir, was damals geschah. Die Gargoyles und
Zauberer hatten einen Zauber gewirkt, der Menschen und Gargoyles auf
unnatürlichste Weise verband. Durch diesen Zauber wurden sie
stärker und schneller als wir – und sie alterten seit
diesem Tag nicht mehr.
Und das Blut – das war
ihre neue Nahrung. Das Sonnenlicht begannen sie zu fürchten,
denn dieses verbrannte sie.
Von Luzius aber haben wir
nie wieder gehört. Wir wissen nicht, ob er noch lebt, oder ob er
schon längst gestorben ist.
Ich persönlich
befürchte, er lebt – und er wird uns wieder angreifen.
Er hat die Welt entzweit
– und die Vampire erschaffen. Er hat die Welt schlimmer
geschädigt, als es je ein Mensch oder Vampir geschafft hatte.
Er ist zu recht verflucht!