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feronien
Die Ehre eines Königs


Seit vier Jahren herrschte Frieden in Barinia, dem Königreich des Königs Lirian. Seit dem Sieg über den dunklen Herrscher war es ruhig in seinem Land geworden. Zwar gab es immer wieder Übergriffe von verschiedenen Banditen, aber zusammen mit den Gargoyles konnten nahezu alle Bedrohungen beseitigt werden.
So kam es, dass Lirian und sein treuester Berater Barius oft zur Jagd aus ritten - nahezu jede Woche.
Doch an einem Tag wurden sie von einer Horde Räuber überfallen.
In dem darauf folgendem Ringen verteidigten sich Lirian und Barius heldenhaft. Doch einer der Räuber schleuderte Steine auf die beiden und traf Lirian am Kopf.
Er verlor das Bewusstsein und sein Pferd, nun nicht mehr von seiner Hand gelenkt, scheute und rannte davon.
Knapp eine Stunde galoppierte das Pferd mit dem bewusstlosen König auf seinem Rücken. Erst als es an ein kleines Gewässer kam, wurde es langsamer. Als es den Kopf senkte, um zu trinken, fiel der König aus dem Sattel und blieb liegen, während das Pferd davon trabte.

*****

So fand ihn Talitha, ein junges Mädchen aus dem Dorf. Als sie den bewusstlosen König sah, versuchten sie ihn mithilfe von dem kalten Wasser wieder zu Bewusstsein zu holen.
Nachdem sie dies erreicht hatte, half sie ihm hoch und führte ihn in ihr Dorf.
Sie hatte ihn nicht als König erkannt und Lirian selbst war noch zu verwirrt, um über diesen Punkt nachzudenken.
Im Dorf wurden sie überrascht empfangen – schließlich fand man nicht oft gut gekleidete Herren im nahen Fluss.
Talitha aber nahm Lirian, der sich bereits vorgestellt hatte, mit in das Haus ihrer Eltern und pflegte ihn dort.

*****

Barius war indessen voller Sorge um seinen König. Er hatte ihn aus den Augen verloren
und war selbst nur mit schweren Verletzungen dem Kampf entronnen. Um selbst zu überleben und um Hilfe für den König los zuschicken, versuchte er nun, möglichst schnell zur Burg zu gelangen. Also ritt er schweren Herzens zurück zur Burg.

*****

Unterdessen war Lirians Verwirrung weitestgehend abgeklungen. Er erinnerte sich wieder an den Überfall, in den sie geraten waren, und er erinnerte sich auch wieder an seine eigene Position.
Doch er hatte, umgeben von der Freundlichkeit dieser einfachen Menschen, kein Interesse daran, sich zu erkennen zu geben. Im Gegenteil, er genoss die Zeit mit Menschen, die ihn auch ohne seinen Rang gut und freundlich behandelten. Besonders Talitha hatte er in sein Herz geschlossen – sie war so freundlich und zuvorkommend ihm gegenüber. Sie half ihm ohne auch nur den geringsten Gedanken an eine Gegenleistung. Gleichzeitig konnte er sich aber auch gut mit ihr unterhalten, denn sie war eine ebenso kluge wie schöne Frau.
Und auch sie genoss seine Gesellschaft. Sicher, es war auch der Reiz des Fremden und Unbekannten, aber andererseits hatte sie bei ihm ein Gefühl der Vertrautheit und Freundschaft, dass in so kurzer Zeit entstanden war.

*****

Barius dagegen war immer noch schwach und lag in seinem Bett. Er hatte den Befehl gegeben, dass alle Reiter des königlichen Heeres sich auf den Weg machen und nach dem König suchen sollten.
Sobald es Nacht war, ließ er die Leuchtfeuer anzünden – das Zeichen für die Gargoyles, dass ihr Königreich Hilfe brauchte.
Schon nach kurzer Zeit kam Hudson, ein vertrauter Freund. In wenigen Worten beschrieb Barius ihm, was geschehen war. Hudson versprach, mit den Seinen nach dem König und seinem Pferd zu suchen. In der Hoffnung, den König noch lebend zu finden, flog er in die Dunkelheit.

*****

In dem kleinen Dorf hatte sich Lirian bereits zur Ruhe gelegt, noch erschöpft von dem Kampf. Die Dorfbewohner hatten sich zusammengetan und rätselten über ihn und seine Herkunft. Einige, die vor vier Jahren dem Ruf des Königs zur Schlacht gefolgt waren, meinten zwar, ihn als König zu erkennen, doch die anderen bezweifelten, dass der König jemals in ihr kleines Dorf kommen würde. Talitha beteiligte sich nicht an dem Gespräch, sondern dachte verträumt an Lirian und in ihrem Herzen entstand leise und langsam der Wunsch nach einem Leben mit ihm.

*****

Auch der nächste Tag brachte keine neue Hoffnung für Barius. Zwar hatten die Reiter das Pferd des Königs entdeckt, doch von dem König selbst fehlte immer noch jede Spur.
Die Gargoyles waren am frühen Morgen noch vorbeigekommen und auch ihre Suche konnte keinen Erfolg vorweisen.
Auch wenn Barius die Hoffnung nicht aufgeben wollte, so wurde sie doch mit jeder Stunde kleiner.

*****

Lirian dagegen genoss das Leben in dem Dorf. Er fand Gefallen an der Einfachheit des Lebens und vor allem fand er immer mehr Gefallen an Talitha.
Doch er war der König – er wusste, dass sein Reich nach ihm suchen würde und er wusste auch, dass eine „einfache“ Frau, selbst wenn sie so bezaubernd wie Talitha war, von den wenigsten akzeptiert werden würde.
Egal, wie lange er über dieses Problem nachdachte, er fand keine Lösung. Doch zuerst musste er zu seiner Burg zurück.
Als es Mittag wurde, fragte er den Talithas Vater nach einem Pferd. Doch dieser lachte nur: „Ein Pferd? Wir sind Bauern, mein Herr. Pferde sind teuer. Ihr werdet im ganzen Dorf niemanden finden, der sich ein Pferd auch nur leisten könnte.“
„Aber ich muss doch zurück. Ich bin zwar gerne bei Ihnen, aber ich werde gebraucht. Man wird mich vermissen und suchen. Ich muss zurück!“
„Das verstehe ich. Und ich werde euch auch helfen, so gut ich kann.“
Da kam Lirian eine Idee: „Könntet ihr ein Feuer entfachen? So groß, dass man es kilometerweit sehen kann? Und in der Form eines 'L'?“
„Ja, das wäre möglich.“ sagte der alte Mann. „Kommt und helft mir, Holz zu hacken!“
Und so begannen der König und die Männer des Dorfes, Bäume zu fällen und zu schlagen, das Holz aufzuschichten und alles für das Feuer vorzubereiten. Lirian bestand darauf, dass Feuer erst in der Abenddämmerung zu entfachen. Und auch wenn die Männer diesen Wunsch nicht verstanden, so taten sie es dennoch so.
Und als es Nacht wurde, brannte ein riesiges Feuer – es brannte so hoch und hell, dass es bis zu seiner Burg sichtbar war.
Auch die Gargoyles hatten es natürlich auch bemerkt.
So kam es, dass schon nach wenigen Stunden zwei Gargoyles in dem Dorf landeten. Die Dorfbewohner erschraken, doch Lirian blieb ganz ruhig. Genau damit hatte er gerechnet!
Als die beiden Gargoyles ihn sahen, kamen sie auf ihn zu und knieten vor ihm nieder. Lirian bat sie, sich zu erheben. Dann wandte er sich den Dorfbewohnern zu:
„Seht her, ich bin Lirian, König von Barinia. Ihr habt mich nicht erkannt und doch habt ihr mich freundlich und liebevoll aufgenommen. Dafür möchte ich euch von Herzen danken. In wenigen Tagen werde ich euch wieder besuchen. Und wenn ich euch einen Wunsch erfüllen kann, so sprecht – und ich werde tun, was in meiner Macht steht.“
Nachdem er gesprochen hatte, kam er noch auf Talitha und ihren Vater zu und umarmte beide. Dann ging er zu den Gargoyles, die sich mit ihm wieder in die Lüfte schwangen und zur Burg flogen.

*****

Als Lirian die Burg erreichte, stand Barius noch wartend an der Brüstung. Als er seinen Freund und König erkannte, humpelte er auf ihn zu und umarmte ihn.
„Mein König, du lebst noch. Was bin ich froh, dich zu sehen.“
„Auch ich freue mich. Gut, dass du den Kampf überlebt hast – aber ich sehe, du bist schwer verletzt.“
„Ja, mein König – es scheint, als hatte ich etwas weniger Glück als du. Aber noch gestern sah ich wesentlich schlimmer aus.“
Lirian lachte. „Na dann – gut, dass es dir wieder besser geht. So, lass uns schlafen gehen – du brauchst noch viel Ruhe und ich ebenfalls ein wenig.“

*****

Am nächsten Morgen fand Barius seinen König im Thronsaal – doch von der freudigen Stimmung, die ihn noch gestern Abend noch bewegte, war nichts mehr übrig geblieben.
„Lirian, was ist passiert?“
„Was Schönes – und zugleich etwas Schlimmes. Ich habe mich verliebt.“
„Das ist doch wunderbar, mein König.“
„Wäre es – doch sie ist eine einfache Frau aus dem Dorf, in dem ich die letzten Tage verbracht habe.“
„Ja aber - wo ist das Problem, mein König?“
„Eben - ich bin der König.“ reagierte Lirian aufgebracht. „Von mir wird erwartet, eine edle Dame zu ehelichen. Ich könnte sogar unverheiratet bleiben – aber eine Bäuerin zu heiraten, das würde meine Ehre vernichten.“
„Aber ihr wollt sie?“ fragte Barius nach.
„Natürlich will ich sie. Versteht ihr? Mein Herz verlangt nach ihr, aber meine Ehre verbietet es.“
„Mein König – in einem Leben gibt es viele Möglichkeiten, zu Ehren zu kommen. Doch zur Liebe kommt man oft nur einmal.“ antwortete Barius ruhig.
„Ihr meint?“
„Natürlich, mein König. Ihr liebt sie – und wenn sie euch auch liebt, so heiratet sie. Ehre wird es noch genug für uns beide auf dem Schlachtfeld geben - bei jeder Schlacht, die wir gewinnen. Aber wie hohl und leer ist der Klang eines feurigen Sieges, wenn er mit keinem geteilt werden kann? Ehre gibt einem Mann nur wenig Trost, wenn er in seinem Haus und seinem Herzen alleine ist.“
Langsam sah Lirian auf und mit feuchten Augen schaute er seinem Freund ins Gesicht: „So werdet ihr zu meiner Entscheidung stehen?“
„Ja, mein König.“
„So will ich es wagen und den Brauch meiner Väter brechen.“ sprach Lirian. „Bereitet eine Eskorte vor!“

*****

Wenige Tage später kam Aufruhr in das kleine Dorf. Ein Trupp Reiter, angeführt von Lirian in silberner Rüstung und rotem Mantel kam heran geritten.
Sie alle erkannten ihn und fielen auf die Knie.
Doch Lirian ritt zu dem Haus, in dem ihm Obdach gewährt hatte. Dort stieg er ab und stand vor der Tür und rief: „Talitha, bist du da?“
Und sie kam heraus – sie trug nur ein einfaches Gewand und war vom Mehl verschmutzt, doch für Lirian war sie die schönste Frau der Welt. „Ja, mein König?“
Da kniete er vor ihr nieder: „Talitha, erinnere dich an unseren letzten Tage, an die Zeit, als du noch nichts von meiner Krone wusstest. Was hast du damals für mich empfunden? Wärst du bereit, mit mir dein Leben zu verbringen? Würdest du mich heiraten?“
„Ja.“ antwortete sie leise.
„Und meinen Segen habt ihr. Mein König, selbst wenn ihr ein Bettler wärt, würde ich Eurer Vermählung zustimmen.“ sprach ihr Vater, der vom Schuppen aus alles beobachtet hatte.
Nun mischte sich auch Barius ein, der mit in der Reiterei saß: „So lasst uns feiern und uns freuen – für unseren König und unsere Königin.“

*****

Und so geschah es: Sie feierten die Hochzeit in dem Dorf von Talithas Jugend. Es war ein rauschendes Fest, das mehrere Tage dauerte.
Dann zog Lirian mit ihr zu seiner Burg und zusammen regierten sie Barinia.


ENDE


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