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Wessen Meinung zählt
(nach
einer wahren Erzählung)
Vor langer Zeit kam ein berühmter
Geiger in die Stadt. Er wurde gefeiert und gelobt und schon Wochen
vorher war die Stadt mit seinen Plakaten beklebt.
Als er dann kam, war der Saal überfüllt
– tausende von Menschen waren im Konzertsaal. Sie hatten sich
in ihre schönsten Gewänder gehüllt und warteten auf
seinen Auftritt.
Der Geiger betrat die Bühne und er
fing zu spielen an. Er rührte die Zuhörer zu tränen,
er ließ alte Legenden neu erstehen, er feuerte die Begeisterung
an – und als sein Spiel endete, erschallte ein tosender Applaus
und nach und nach begannen die Leute, sich zu erheben.
Immer lauter wurde der Wunsch nach
einer Zugabe.
Doch der Geiger weigerte sich. Er
erschien nicht mehr auf der Bühne. Als der Veranstalter auf ihn
zukam und ihn fragte, warum er nicht mehr auftreten wollte, da
führte der Geiger ihn zu einer Stelle, wo man von der Bühne
aus das Publikum sehen konnte.
Das Publikum stand immer noch und der
Veranstalter meinte: „Sehen Sie doch, wie sehr sie nach Ihnen
verlangen.“
„Nein, nicht alle.“
antwortete der Geiger und zeigte auf einen alten Mann in der letzten
Reihe, der in altmodischen und zerschlissenen Klamotten im
Konzertsaal saß.
„Ach den“, winkte der
Veranstalter ab, „das wird ein alter Zausel sein, der keine
Ahnung von der Schönheit der klassischen Musik hat.“
„Das“, erwiderte der
Geiger, „das ist der Mann, der mich damals das Geigen
spielen lehrte. Würde er sich erheben und um eine weitere
Darbietung bitten, ich würde sofort die Bühne betreten –
selbst, wenn niemanden sonst mein Spiel gefallen würde. Aber
unter diesen Umständen – ich verzichte.“
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